Mit der Gegenwart vernetzt
Sirah Nying, Natasha Sebben und Jill Böhringer: Drei Absolventinnen des Departements Design gehen ihren Weg vom Studium in den Beruf. Mal tastend, mal zupackend, verlieren sie nie ihr Ziel aus den Augen: kreativ tätig zu sein.
Ihr Tag beginnt mit der Redaktionssitzung, die dem Informationsaustausch dient: Wer macht was, wann, wo? Danach geht es raus zu einem Dreh, bei dem sie Menschen interviewt oder die Kamera führt. Oder sie bleibt im Büro, recherchiert, kontaktiert potenzielle Protagonist:innen, schneidet Beiträge. Sirah Nying, die 2022 den Bachelor in der Fachrichtung Cast/Audiovisual Media erlangt hat, arbeitet als Journalistin und Moderatorin beim Schweizer Radio und Fernsehen SRF. Wenige Monate vor Abschluss ihres Studiums hatte sie ihr Portfolio eingereicht – und kurz nach Abschluss ein Jobangebot bekommen. Der Einstieg in den journalistischen Alltag war steil: In der Dokuserie „Enter the Circle“ spürte Sirah Rapperinnen nach, die sich in der deutschsprachigen Hip-Hop-Szene etabliert haben. In der Instagramserie „Weisse Augen, schwarze Haut“ befragte sie ihre Protagonist:innen über die emotionalen Folgen des Rassismus, dem sie täglich ausgesetzt sind. Und kürzlich führte sie als Co-Moderatorin durch den legendären sechsstündigen Freestyle-Rap-Marathon „Bounce Cypher“. „Ich habe Spass an der kreativen Freiheit und der Ernsthaftigkeit, mit der meinen Vorschlägen begegnet wird. Ein Format, das ich erstmals an einem Workshop vorgestellt habe, produziere ich mittlerweile selbst.“ Trotz des unmittelbaren und intensiven Übergangs in die Berufswelt vermisst Sirah manchmal das Studium: „Der praxisorientierte Unterricht, die Freiheit, experimentieren zu können, vor allem aber die Zeit im Atelier mit meinen Kommiliton:innen haben mir besonders gut gefallen.“ Im Studium arbeitete sie meistens allein, konnte ihre Projekte entsprechend planen und umsetzen. Die Zusammenarbeit im Team war die grösste Umstellung für Sirah, die ihren Job derzeit für keinen anderen hergeben würde.
INTERAKTIVE GESCHICHTEN ERZÄHLEN
Ophelia sitzt in der Badewanne und wird von einer psychotischen Episode überwältigt. Sie beginnt mit ihrer Umgebung zu interagieren: Ein Glas Wein und eine Packung Medikamente stehen in Reichweite, eine gesprächsbereite Gummiente schwimmt im roten Wasser, und wenn sonst nichts geht, lässt sich die Wanne auch noch weiter füllen. Ophelia ist die Protagonistin des multilinearen Story-Games „Psychotic Bathtub“, das zugleich das BA-Abschlussprojekt von Natasha Sebben ist. „Ich habe mich für das Studium in Game Design interessiert, weil ich erzählen wollte: interaktiv, immersiv und innovativ.“ In „Psychotic Bathtub“ entfaltet sich ein Spannungsfeld zwischen dem ernsthaften Thema psychische Erkrankungen, der beissenden Ironie in den Dialogen und der Form des Games: Handgemalte Grafik trifft auf düster-minimalistischen Soundteppich. Das Game stand am Ende ihres Studiums und öffnete Natasha über den Bachelor hinaus Türen zum Schaffen als selbstständige Designerin. Die Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia unterstützt aktuell mit Fördergeldern die weitere Entwicklung in einem kleinen Team, und der Auftritt an internationalen Festivals ermöglicht die Vernetzung mit der Szene. Daneben ist Natasha als Unterrichtsassistentin in der Fachrichtung Game Design tätig. Ihren Berufsalltag empfindet sie als vielfältig, fordernd und erfüllend: „Momentan bin ich täglich an der ZHdK – meistens morgens. Ich unterrichte und mentoriere. Anschliessend arbeite ich bis in den Abend hinein an „Psychotic Bathtub“ und an Freelanceaufträgen. Die Arbeitstage sind oft recht lang, aber ich mag das so. Die Auseinandersetzung macht mir Spass, gibt mir Struktur und das Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun.“ Nur den administrativen Aufwand, der mit der Selbstständigkeit einhergeht, hat sie unterschätzt und er bereitet ihr auch bedeutend weniger Vergnügen.
AUF DER SUCHE NACH WÜNSCHENSWERTEN ZUKÜNFTEN
Erfahrungen mit Bürokratie und Hierarchien an der ZHdK haben sie erst herausgefordert und schliesslich gelehrt, durchzuhalten oder alternative Wege zu finden. Das Studium hat sie dazu ermutigt, Projekte ergebnisoffen anzugehen, ausführlich zu recherchieren, Themen auf ihre Widersprüche hin abzuklopfen und über die gestalterische Arbeit neue Erkenntnisse zu gewinnen. Jill Böhringer hat die Fachrichtung Trends & Identity im Bachelor und im Master absolviert und nach beiden Abschlüssen einen konkreten Schritt in die berufliche Gegenwart gemacht. „Ich hatte gehofft, nach dem BA-Studium meinen Platz in der Berufswelt gefunden zu haben und zu wissen, wie ich Design für die Mitgestaltung wünschenswerter Zukünfte nutzen könnte. Diese Seifenblase ist dann aber geplatzt.“ Die Idealvorstellung eines Studiums als Schlüssel zur Beantwortung grundlegender Fragen verwirklichte sich zwar nicht, doch die teilweise unbewusst erlangten Hard und Soft Skills halfen Jill beim Start in die Arbeitswelt. Dieser erfolgte über ein Praktikum bei der Stiftung Real Time Trust, die sich für den Erhalt und die Weiterentwicklung der kunsthandwerklichen Tradition im indischen Bundesstaat Orissa einsetzt. Sie unterstützt vor Ort tätige Kunsthandwerker:innen bei der Entwicklung, Produktion und Vermarktung. „Ich bin sehr froh, dass das damals funktioniert hat. Ohne das Praktikum hätte ich mich wohl ziemlich verloren gefühlt.“ Am Master interessierte sie die Möglichkeit, nochmals in die Tiefe zu gehen. Daraus resultierte dann die Gründung von „Strobo“, einem Büro für Zukunftsdesign, dessen Tätigkeitsfelder sie gemeinsam mit Kolleg:innen weiter ausbaut und das in diesem Jahr auch Teil des Förderprogramms „What’s next_Project“ des Z-Kubators ist. „Mit drei Jobs ohne feste Arbeitszeiten ist mein Leben zurzeit etwas chaotisch. Jeder Tag startet und endet mit meinem Hund, alles dazwischen ändert sich stündlich. Das ist anstrengend und vermutlich ungesund, aber nie langweilig.“